Zurruhesetzung: „Rehabilitation vor Versorgung“
Durch die Neufassungen der maßgeblichen beamtenrechtlichen Rechtsgrundlagen Ende 2018 hat sich die bisherige Rechtslage zur Zurruhesetzung aus gesundheitlichen Gründen verändert.
Insbesondere bei den Polizeivollzugsbeamten erfordert die neue Fassung des § 105 LBG nicht mehr wie bisher, dass eine Verwendung funktionsbezogen dienstfähiger Polizeivollzugskräfte in Funktionen des Polizeivollzugsdienstes aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich ist.
Wie sich die Rspr. dazu im Einzelfall verhalten wird, bleibt abzuwarten, denn § 26 BeamtStG gilt unverändert weiter. Dort heißt es: In den Ruhestand wird nicht versetzt, wer anderweitig verwendbar ist. Und: Eine anderweitige Verwendung möglich, wenn der Beamtin oder dem Beamten ein anderes Amt derselben oder einer anderen Laufbahn übertragen werden kann.
Bisherige Rspr. zu den Vollzugsbeamten:
Das Verwaltungsgericht Berlin hat die bisherige Rechtslage mit Urteil vom 18.01.2011 (VG 5 K 277.09) hinsichtlich der Versetzung eines Polizeivollzugsbeamten in den Ruhestand wie folgt formuliert:
„Von der Versetzung in den Ruhestand soll gemäß § 26 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 des Beamtenstatusgesetzes abgesehen werden, wenn eine anderweitige Verwendung möglich ist; eine anderweitige Verwendung ist möglich, wenn dem Beamten ein anderes Amt derselben oder einer anderen Laufbahn übertragen werden kann. Die hierzu wiederum für Polizeivollzugskräfte ergangene spezielle Regelung in § 105 Abs. 2 des Landesbeamtengesetzes sieht neben weiteren (§ 105 Abs. 2 Nr. 2 und 3) vor, dass der Beamte bei Polizeidienstunfähigkeit in ein Amt einer anderen Laufbahn versetzt werden soll, wenn die gesundheitliche Eignung für eine Verwendung in Funktionen des Vollzugsdienstes, die die besonderen gesundheitlichen Anforderungen auf Dauer nicht mehr erfordern (funktionsbezogene Dienstfähigkeit), nicht gegeben oder eine Verwendung funktionsbezogen dienstfähiger Polizeivollzugskräfte in Funktionen des Polizeivollzugsdienstes aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich ist (§ 105 Abs. 2 Nr. 1 der Norm)“.
Der Dienstherr musste also nach bisherigem Recht einen vollzugsunfähigen Vollzugsbeamten im aktiven Dienst belassen, wenn dieser zu einer funktionsbezogenen Dienstausübung in der Lage war, und nicht zwingende dienstliche Gründe entgegenstanden. Dies konnte durch vollzugsfremde Verwendung im Vollzugsdienst oder durch Versetzung in eine andere Laufbahn erfolgen.
Auch die Besonderheiten des sog. „Berliner Modells“ rechtfertigten eine Zurruhesetzung nicht. Das Verwaltungsgericht Berlin hat mit Beschluss vom 22. Februar 2012 (VG 26 L 8.12) hierzu ausgeführt:
„Der Antragsgegner hat nicht dargelegt, dass ein weiterer Einsatz des Antragstellers auf seinem zuletzt innegehabten Dienstposten nicht mehr möglich ist. Dem stehen auch nicht die behördlichen Vorgaben in Ziffer 5.1.2 der GA PPr Stab Nr. 9 / 2010 über den Täglichen Dienst der Abschnitte im Berliner Modell vom 31. August 2010 entgegen. Danach besetzen die Sachbearbeiter im Einsatzdienst einer Dienstgruppe die Basisdienste und versehen disponierbare Dienste. Die Ausübung aller nach Ziffern 5.1.2.1 (Basisdienste) und 5.1.2.2 (Disponierbare Dienste) wahrzunehmenden Aufgaben setzt regelmäßig das Vorliegen einer uneingeschränkten Polizeidienstfähigkeit der Vollzugskräfte voraus. Die Zulässigkeit solcher Vorgaben schließt eine dauerhafte Verwendung funktionsbezogen dienstfähiger Vollzugskräfte – bis zur dargestellten Grenze der Beeinträchtigung der sachgemäßen und reibungslosen Erfüllung dienstlicher Aufgaben – nicht aus.“
Nach dieser deutlich günstigeren Rechtslage stand dem Dienstherrn nicht mehr – wie zuvor – ein weites Organisationsermessen bei der Einschätzung der Frage zu, ob modifiziert (nach neuer Terminologie: funktionsbezogen) polizeidienstfähige Beamte innerhalb des Vollzugsdienstes weiterverwendet werden sollen. Vielmehr erfordere das Vorliegen von eingeschränkter Polizeidienstfähigkeit (Funktionsdienstfähigkeit) eine eingehende Prüfung, ob ein dem Gesundheitszustand des Beamten entsprechender „leidensgerechter“ Dienstposten vorhanden ist. Im Zweifel war der Dienstherr nach Auffassung etwa der 7. Kammer des Verwaltungsgerichts sogar verpflichtet, einen solchen leidensgerechten Dienstposten freizumachen, damit dem Beamten eine amtsangemessene Beschäftigung ermöglicht würde.
Die neue Fassung des LBG dreht die gesetzliche Regelung ein Stück weit zurück, wobei der in § 26 BeamtStG verankerte Grundsatz der Rehabilitation vor Zurruhesetzung nicht angetastet wird. Die Entscheidungmöglichkeit über ein Verbleiben in der Vollzugslaufbahn bei funktionsgerechter Verwendung wird aber zugunsten der Dienstbehörde deutlich erweitert.
Der Polizeipräsident in Berlin hat auf diese neue Gesetzeslage mit internen Umlauf-Vermerken reagiert. Es bestehe keine Pflicht mehr zur Freimachung oder Einrichtung geeigneter Dienstposten für sog. modifiziert polizeivollzugsdienstfähige Dienstkräfte. Bei der Feststellung einer solchen funktionsbezogenen Dienstfähigkeit durch den Polizeiärztlichen Dienst erfolge zunächst die Prüfung der Weiterverwendung in der Organisationseinheit. Dabei solle auch eine ggf. besoldungsniedrigere Funktion in den Blick genommen werden (§ 26 Abs. 3 BBesG).
Sofern in dem dortigen Zuständigkeitsbereich keine passende Verwendungsmöglichkeit gefunden werden sollte, erfolgt eine behördenweite Prüfung einer dem polizeiärztlichen Gutachten entsprechenden Verwendung. Verläuft auch diese Prüfung negativ, ist bei Vorliegen von Dienstfähigkeit und Umschulungseignung, die ebenfalls durch den polizeiärztlichen Dienst festzustellen ist, die Möglichkeit eines Laufbahnfachrichtungswechsels in die Laufbahn der allgemeinen Verwaltung zunächst innerhalb der Behörde, ggf. auch landesweit zu prüfen. Bei negativer Umschulungsprüfung erfolgt die Versetzung in den Ruhestand.
Demnach wird in der Zukunft das behördliche Handeln insbesondere bei Durchführung der sog. Suchanfrage genau zu prüfen sein und es kann einer Umschulung oder gar Zurruhesetzung ggf. unter diesem Aspekt entgegen getreten werden.
Beamte auf Probe:
Nach einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz v. 25.10.2013 (2 A 11330/11) kann selbst die Entlassung eines Probebeamten wegen fehlender gesundheitlicher Eignung nur dann rechtmäßig erfolgen, wenn der Dienstherr zuvor die Verwendung in einer anderen Laufbahn geprüft hat. Das Gericht folgert dies aus der Vorschrift des §§ 23 Abs. 3 S. 2 BeamtStG:
„Fehlt einem Bewerber lediglich die gesundheitliche Eignung für eine Ernennung als Beamter auf Lebenszeit, so ist nämlich gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG immer auch die für Zurruhesetzungen von Lebenszeitbeamten geltende Vorschrift des § 26 Abs. 2 BeamtStG entsprechend anzuwenden. In diesem Zusammenhang soll nach § 26 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG bei dienstunfähigen Beamten von der Versetzung in den Ruhestand abgesehen werden, wenn eine anderweitige Verwendung möglich ist. Diese Vorgabe gilt auch für Polizeibeamte, die aus gesundheitlichen Gründen für den Polizeivollzugsdienst nicht mehr geeignet sind (vgl. § 112 Abs. 2 Satz 1 LBG). Auch bei diesen Beamten muss vor einer Versetzung in den Ruhestand stets geprüft werden, ob sie nicht – gegebenenfalls durch einen Laufbahnwechsel – anderweitig verwendet werden können. In gleicher Weise ist daher auch bei Entlassungen von Polizeivollzugsbeamten im Probebeamtenverhältnis ihre anderweitige Verwendung in einer Laufbahn des gehobenen Dienstes außerhalb des Polizeidienstes zu prüfen.“