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Amtsärztliche Untersuchungsanordnung Neu

Neue Rechtsprechung des OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 11.06.2021, OVG 4 S 6/21

Das Bundesverwaltungsgericht hatte mit Beschluss vom 14.03.2019 (2 VR 5.18) seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben, wonach gegen eine rechtswidrige Anordnung amtsärztlicher Untersuchung rechtlich vorgegangen werden kann.

Nunmehr sollte die Untersuchungsanordnung selbst nicht mehr „isoliert“ angreifbar sein, sondern nur noch im Rahmen eines Eil- oder Klageverfahrens gegen die nachfolgende Zurruhesetzungsverfügung selbst und also nur inzident.

Dem folgen das Verwaltungsgericht Potsdam und nachfolgend das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg so aber nicht (Beschluss vom 11. Juni 2021 – OVG 4 S 6/21 –, juris). Das OVG hat erkannt:

Auch der Senat entnimmt der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Kammerbeschluss vom 21. Oktober 2020 – 2 BvR 652/20 – und Kammerentscheidungen gemäß § 32 Abs. 1 BVerfGG vom 13. Mai 2020 – 2 BvR 652/20 – und vom 12. August 2020 – 2 BvR 1427/20 – alle in juris), dass dieses das Ergebnis der vom Bundesverwaltungsgericht nach den Grundsätzen der praktischen Konkordanz vorgenommenen Abwägung der widerstreitenden Verfassungsgüter (die materiellen Grundrechte des Beamten einschließlich der Garantie effektiven Rechtsschutzes einerseits, die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung und die besondere Pflichtenstellung des Beamten andererseits), wonach der (nachgelagerte) Inzidentrechtsschutz im Rahmen des (Eil- oder Klage-)Verfahrens gegen die Zurruhesetzungsverfügung einen angemessenen und verhältnismäßigen Ausgleich der Verfassungsgüter darstelle (BVerwG, a.a.O. Rn. 37), nicht teilt. Der Senat hält daher an seiner Entscheidung, unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung (Beschluss vom 22. Januar 2018 – OVG 4 S 19.17 – juris Rn. 3, Beschluss vom 26. Juli 2016 – OVG 4 S 40.15 – BeckRS 2016, 131910 Rn. 3) der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu folgen (Beschluss vom 13. Mai 2019 – OVG 4 S 17.19 – BA S. 2), nicht mehr fest und hält Untersuchungsanordnungen im Zurruhesetzungsverfahren für isoliert angreifbar. Dem steht § 44a VwGO bei verfassungskonformer Auslegung nicht entgegen.

Damit sind Untersuchungsanordnungen im Zurruhesetzungsverfahren wieder für sich genommen und also isoliert angreifbar.

Eingruppierung der Mitarbeiter des Zentralen Objektschutzes

Neuer Stand der Verfahren Eingruppierung ZOS:

Das Bundesarbeitsgericht hat nach jahrelangen Rechtsstreiten in zahlreichen Musterklageverfahren, welche vom Arbeitsgericht Berlin und vom LAG Berlin-Brandenburg überwiegend zum Nachteil der Kläger entschieden worden waren, nun in einem der Musterverfahren zu Gunsten des dortigen Klägers entschieden und die Erforderlichkeit der „gründlichen Fachkenntnisse“ im Sinne der Tarifvorschrift anerkannt, sodass sich Vergütung dem Grunde nach die Entgeltgruppe gemäß der EG 5 richtet, bzw. bei Überleitung in den TV-L zum damaligen Stichtag 01.11.2010 nach 9-jähriger (bzw. hälftiger) Bewährungszeit nach der EG 6 Urteil v. 30.11.2022, 4 AZR 195/22).

Zuvor hatten wir in einer Vielzahl von Verfahren zurückweisende Urteile des Arbeitsgerichts und des LAG Berlin-Brandenburg erhalten, gegen die die Revision zum Bundesarbeitsgericht nicht zugelassen worden war, sodass diese Urteile in Rechtskraft erwachsen sind und die Verfahren jeweils abgeschlossen sind. Mit dem Urteil des BAG ist nun eine grundlegende Rechtsprechungsänderung eingetreten und es ist davon auszugehen, dass das Land Berlin als Arbeitgeber dies auch umsetzen wird.

Rückwirkende Ansprüche bestehen aber nur bei denjenigen Tarifbeschäftigten die in entsprechenden Klageverfahren ihre Ansprüche geltend gemacht haben und bei denen die Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sind.

Soweit demnach ein Klageverfahren nicht mehr offen ist, sollten Ansprüche erneut schriftlich geltend gemacht werden. Nach dem TV-L besteht eine 6-monatige Frist für die Geltendmachung von Ansprüchen. Mit der schriftlichen Geltendmachung werden also Ansprüche rückwirkend für 6 Monate gesichert. Demnach sollten auch diejenigen, die bisher (z.B. aus Kostengründen) keine Eingruppierungsklage erhoben haben oder bei denen der Rechtsweg leider ohne Erfolg voll ausgeschöpft wurde, ihre Ansprüche auf korrekte Eingruppierung und Zahlung der Differenzvergütung (vorsorglich erneut) nach § 37 TV-L beim Arbeitgeber schriftlich geltend machen.

Ansonsten bleibt die Umsetzung des Urteils durch die Berliner Polizei abzuwarten, das soll dem Vernehmen nach in Arbeit sein. Wegen der Vielzahl der Verfahren wird das aber länger dauern.

Weiter ist zu beachten:

Der Kläger des jetzt entschiedenen Falles war bereits seit 1999 beim ZOS und also langjährig bei Geltung des alten BAT tätig. Dieser frühere Tarifvertrag kannte noch den sog. „Bewährungsaufstieg“ . Diesen hat das BAG bei ihm zugrunde gelegt (BAT VII nach VI b, neunjährige Bewährungsfrist, diese muss zum Stichtag mindestens zur Hälfte abgelaufen sein). Das Urteil des BAG führte in dem entschieden Fall dazu, dass der Kläger in die EG 6 TV-L überzuleiten ist.

Bei den Mitarbeitern des ZOS, die nicht so lange unter der Geltung des BAT beschäftigt waren, dass zum Zeitpunkt der Überleitung in den TV-L bereits der Bewährungsaufstieg erfüllt war, wird daher „nur“ eine Eingruppierung nach EG 5 zum Tragen kommen, auch das aber ist ein deutlicher Erfolg.

Diejenigen Mitarbeiter des ZOS, deren Eingruppierungsklagen beim Arbeitsgericht Berlin eingereicht sind und nach Verjährungsverzicht der Gegenseite noch ruhen, müssen derzeit nichts unternehmen. Wir werden hier die Aufnahme der Verfahren beantragen, wenn nicht zeitnah eine Umsetzung der neuen Rspr. durch die Polizei erfolgt.

BVerfG zu Streikrecht beamteter Lehrer

Das Bundesverfassungsgericht hat ein Streikrecht für Lehrer im Beamtenverhältnis verneint. Die GEW will dagegen den Europäischen Gerichtshof anrufen.

Hier die Leitsätze (Urteil v. 12. Juni 2018, 2 BvR 1738/12 u.a.):

  1. Der persönliche Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG umfasst auch Beamte (vgl. BVerfGE 19, 303 <312, 322>). Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit ist zwar vorbehaltlos gewährleistet. Es kann aber durch kollidierende Grundrechte Dritter und andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechte begrenzt werden.
  1. a) Das Streikverbot für Beamte stellt einen eigenständigen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG dar. Es erfüllt die für eine Qualifikation als hergebrachter Grundsatz notwendigen Voraussetzungen der Traditionalität und Substanzialität.
  1. b) Das Streikverbot für Beamte ist als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums vom Gesetzgeber zu beachten. Es weist eine enge Verbindung auf mit dem beamtenrechtlichen Alimentationsprinzip, der Treuepflicht, dem Lebenszeitprinzip sowie dem Grundsatz der Regelung des beamtenrechtlichen Rechtsverhältnisses einschließlich der Besoldung durch den Gesetzgeber.
  1. a) Die Bestimmungen des Grundgesetzes sind völkerrechtsfreundlich auszulegen. Der Text der Europäischen Menschenrechtskonvention und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte dienen auf der Ebene des Verfassungsrechts als Auslegungshilfen für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Grundgesetzes (vgl. BVerfGE 74, 358 <370>; 111, 307 <317>; 128, 326 <367 f.>; stRspr).
  1. b) Während sich die Vertragsparteien durch Art. 46 EMRK verpflichtet haben, in allen Rechtssachen, in denen sie Partei sind, das endgültige Urteil des Gerichtshofs zu befolgen (vgl. auch BVerfGE 111, 307 <320>), sind bei der Orientierung an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte jenseits des Anwendungsbereiches des Art. 46 EMRK die konkreten Umstände des Falles im Sinne einer Kontextualisierung in besonderem Maße in den Blick zu nehmen. Die Vertragsstaaten haben zudem Aussagen zu Grundwertungen der Konvention zu identifizieren und sich hiermit auseinanderzusetzen. Die Leit- und Orientierungswirkung ist dann besonders intensiv, wenn Parallelfälle im Geltungsbereich derselben Rechtsordnung in Rede stehen, mithin (andere) Verfahren in dem von der Ausgangsentscheidung des Gerichtshofs betroffenen Vertragsstaat betroffen sind.
  1. c) Die Grenzen einer völkerrechtsfreundlichen Auslegung ergeben sich aus dem Grundgesetz. Die Möglichkeiten einer konventionsfreundlichen Auslegung enden dort, wo diese nach den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung und Verfassungsinterpretation nicht mehr vertretbar erscheint (vgl. BVerfGE 111, 307 <329>; 128, 326 <371>). Im Übrigen ist auch im Rahmen der konventionsfreundlichen Auslegung des Grundgesetzes die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte möglichst schonend in das vorhandene, dogmatisch ausdifferenzierte nationale Rechtssystem einzupassen.
  1. Das Streikverbot für Beamtinnen und Beamte in Deutschland steht mit dem Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes im Einklang und ist insbesondere mit den Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar. Auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte lässt sich eine Kollisionslage zwischen dem deutschen Recht und Art. 11 EMRK nicht feststellen.

Bundesverwaltungsgericht zu tätowierten Beamten

Mit Urteil des BVerwG v. 7. November 2017, 2 C 25.17 hatte das höchste deutsche Verwaltungsgericht grundsätzliche Feststellungen zur Frage von Tätowierungen bei Beamten getroffen. Danach greift ein Verbot des Tragens bestimmter Tätowierungen in das auch den Beamten durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Persönlichkeitsrecht ein. Es bedürfe daher einer gesetzlichen Grundlage.

Weiter hatte es ausgeführt: Es gäbe Anhaltspunkte dafür, dass gewandelte gesellschaftliche Vorstellungen zwischenzeitlich auch hinsichtlich Tätowierungen vorliegen könnten. Die Frage, ob angesichts dieser Entwicklung weiterhin von einer allgemeinen Ablehnung oder Gefährdungen für die Repräsentations- oder Neutralitätsfunktion ausgegangen werden könne, bedürfe daher einer aktualisierten Prüfung.

In einer neueren Entscheidung hat das BVerwG nachfolgend aber für Polizeivollzugsbeamte in Bayern entscheiden, dass diese sich an Kopf, Hals, Händen und Unterarmen nicht tätowieren lassen dürfen (BVerwG, Urteil vom 14. Mai 2020 – 2 C 13/19 –). Denn: dort bestehe eine hinreichende gesetzliche Grundlage. Das Bayerische Beamtengesetz untersagt es Polizeivollzugsbeamten unmittelbar , sich im beim Tragen der Dienstkleidung (Sommeruniform) sichtbaren Körperbereich, d.h. konkret an Kopf, Hals, Händen und Unterarmen, tätowieren zu lassen. Nach Auffassung des BVerwG ist damit bereits im Bayerischen Beamtengesetz selbst für im Dienst stehende Polizeivollzugsbeamte ein hinreichend vorhersehbares und berechenbares Verbot für Tätowierungen und andere nicht sofort ablegbare Erscheinungsmerkmale (wie etwa ein Branding oder ein Ohrtunnel) im beim Tragen der Uniform sichtbaren Körperbereich geregelt. Dies ergebe sich aus der Auslegung des Gesetzes unter Berücksichtigung der Gesetzesbegründung. Danach seien äußerlich erkennbare Tätowierungen und vergleichbare auf Dauer angelegte Körpermodifikationen im sichtbaren Bereich mit der Neutralitäts- und Repräsentationsfunktion von uniformierten Polizeivollzugsbeamten unvereinbar. Durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützte individuelle Interessen der Polizeivollzugsbeamten an einer Tätowierung müssten für den – bezogen auf den Gesamtkörper beim Tragen der Dienstkleidung kleinen – sichtbaren Bereich gegenüber der Notwendigkeit eines einheitlichen und neutralen Erscheinungsbildes zurücktreten.

Die Einstellungspraxis und Rechtsgrundlagen sind in den Bundesländern uneinheitlich. Soweit keine gesetzliche Grundlage besteht, darf eine Einstellung aber grds. nicht wegen des Tattoos abgelehnt werden, so auch die Rspr. des hiesigen OVG (Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 01. Februar 2019 – OVG 4 S 52.18 –), Leitsatz:

Die Ablehnung der Einstellung eines Bewerbers für den Polizeivollzugsdienst wegen einer Tätowierung, die nach Auffassung der Einstellungsbehörde in der Bevölkerung als bedrohlich und abschreckend wahrgenommen werden könnte, bedarf einer gesetzlichen Grundlage. An dieser fehlt es im Land Berlin.

Es gibt aber Grenzen. So kann eine Tätowierung gleichwohl eine Pflichtverletzung darstellen, wenn und soweit diese durch ihren Inhalt gegen andere beamtenrechtliche Pflichten verstößt. Dies ist nach der Rspr. des BVerwG nicht nur dann der Fall, wenn sich aus dem Inhalt der Tätowierung eine Straftat erfibt, wie etwa bei einer Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen nach § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB. Eine Tätowierung begründet vielmehr auch dann ein Dienstvergehen, wenn ihr Inhalt einen Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht des Beamten offenbart.

Aus den Entscheidungsgründen des BVerwG:

„Auch wenn die Reglementierung des Erscheinungsbildes von Beamten während ihrer Dienstausübung auf eine behördeninterne Wirkung gerichtet ist, die Art und Weise, in der der Beamte seinen Dienstpflichten nachzukommen hat, ist ihre Wirkung nicht auf die Zeiten der Dienstausübung beschränkt. Anders als die Vorgabe, eine bestimmte Dienstkleidung zu tragen oder während der Dienstzeit Schmuckstücke abzulegen, greift das Verbot bestimmter Tätowierungen zwangsläufig auch in die private Lebensführung und damit in subjektive Rechte der Beamten ein. Die Regelung bedarf daher einer hinreichend bestimmten Ermächtigung durch den Gesetzgeber (BVerwG, Urteil vom 2. März 2006 – 2 C 3.05 – BVerwGE 125, 85 Rn. 17; BVerfG, Beschluss vom 10. Januar 1991 – 2 BvR 550/90 – NJW 1991, 1477 f.).

 In der Rechtsprechung ist hierfür auf die generelle Befugnis zur Regelung der Dienstkleidung (vgl. § 74 BBG) verwiesen worden. Die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts betrafen in der Sache zwar nur die Gestaltung der Haartracht; in ihnen ist aber ausdrücklich auch auf die Möglichkeit einer Vorgabe für Tätowierungen verwiesen worden (BVerwG, Urteil vom 2. März 2006 – 2 C 3.05 BVerwGE 125, 85 Rn. 18; ebenso Beschluss vom 17. Dezember 2013 – 1 WRB 2.12 u.a. – BVerwGE 149, 1 Rn. 48 für das Soldatenrecht). An dieser Auffassung hält der Senat nicht fest. Wie bei der Einschätzung, welche rechtlichen Grundlagen für die Vorgabe von

Einstellungshöchstaltersgrenzen erforderlich sind, stellt sich auch im Hinblick auf die Reglementierung des zulässigen Ausmaßes von Tätowierungen bei Beamten die Frage der Wesentlichkeit und damit der Ermächtigungsgrundlage unter dem zwischenzeitlich aktualisierten verfassungsrechtlichen Blickwinkel anders dar als noch vor einigen Jahren (BVerfG, Beschluss vom 21. April 2015 – 2 BvR 1322/12 u.a. – BVerfGE 139, 19 Rn. 57).

So sind Einstellungshöchstaltersgrenzen für Beamte traditionell durch Verwaltungsvorschrift bestimmt worden; dies hat die Rechtsprechung lange Zeit gebilligt (BVerwG, Urteile vom 31. Januar 1980 – 2 C 15.78 – Buchholz 232 § 15 BBG Nr. 11 S. 5 und vom 23. Oktober 1980 – 2 C 22.79 – Buchholz 238.4 § 37 SG Nr. 2 S. 5). Erst im Jahr 2009 ist hierzu eine normative Ausgestaltung verlangt (BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2009 – 2 C 18.07 – BVerwGE 133, 143 Rn. 9), die Regelung durch Rechtsverordnung aber weiterhin für ausreichend erachtet worden (BVerwG, Urteil vom 23. Februar 2012 – 2 C 76.10 – BverwGE 142, 59 Rn. 26). 2015 hat das Bundesverfassungsgericht den Parlamentsvorbehalt im Anwendungsbereich des Art. 33 Abs. 2 GG weiter hervorgehoben und eine hinreichend bestimmte Entscheidung des Parlamentsgesetzgebers selbst verlangt (BVerfG, Beschluss vom 21. April 2015 – 2 BvR 1322/12 u.a. – BVerfGE 139, 19 Rn. 52 ff.). Dem ist die Rechtsprechung des erkennenden Senats gefolgt (BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 2016 – 2 C 11.15 – BVerwGE 156, 180 Rn. 17 ff.).

Die vom Bundesverfassungsgericht hinsichtlich der Regelung von Einstellungshöchstaltersgrenzen gegebene Begründung trifft auch für die Reglementierung des Ausmaßes zulässiger Tätowierungen für Beamte zu. Grundrechte gelten auch im Beamtenverhältnis. Die Austarierung widerstreitender Grundrechte (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 – 2 BvR 1436/02 – BVerfGE 108, 282 <310> in Bezug auf Kleidungsvorschriften für Lehrkräfte) oder kollidierender Verfassungspositionen ist dem Parlament vorbehalten. Wesentliche Inhalte des Beamtenverhältnisses sind daher durch Gesetz zu regeln. Dies gilt insbesondere für Regelungen mit statusbildendem oder statusberührenden Charakter, durch die Bedingungen der Einstellung oder Entlassung normiert werden (BVerfG, Beschluss vom 21. April 2015 – 2 BvR 1322/12 u.a. – BVerfGE 139, 19 Rn. 69).

Mit der Bestimmung unzulässiger Tätowierungen werden Eignungsanforderungen festgelegt, die zur zwingenden Ablehnung eines Einstellungsbegehrens führen (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 14. Juli 2016 – 6 B 540/16 – juris Rn. 3 und 5). Für bereits ernannte Beamte bilden entsprechende Regelungen die Grundlage für Weisungen, keine derartige Tätowierung im Dienst zu tragen (VG Halle, Urteil vom 18. Mai 2016 – 5 A 54/16 – juris Rn. 21 f.).

Insoweit ist neben dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) auch das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG berührt. Das Bundesverwaltungsgericht hat dessen Anwendungsbereich für das Schneiden der Kopfhaare zwar grundsätzlich verneint (BVerwG, Urteil vom 2. März 2006 – 2 C 3.05 – VerwGE 125, 85 Rn. 16). Die Vorgabe, die Haare in Hemdkragenlänge zu tragen, könne nicht zu einer Entstellung oder Verunstaltung führen. Angesichts des intensiven körperlichen Eingriffs und der damit verbundenen Schmerzen kann Entsprechendes für die Entfernung von Tätowierungen aber offenkundig nicht gelten. Die Aufforderung, großflächige Tätowierungen an Kopf, Hals, Händen oder Unterarmen zu beseitigen, greift daher auch in den Schutzbereich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ein.

 (…)

Die Reglementierung zulässiger Tätowierungen im Beamtenverhältnis bedarf folglich einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Regelung. Auch im Falle der Verordnungsermächtigung muss dabei schon aus der parlamentarischen Leitentscheidung der Ermächtigung erkennbar und vorhersehbar sein, was dem Bürger gegenüber zulässig sein soll (BVerfG, Beschluss vom 21. April 2015 – 2 BvR 1322/12 u.a. – BVerfGE 139, 19 Rn. 55).

 (…)

Anhaltspunkte dafür, dass gewandelte gesellschaftliche Vorstellungen zwischenzeitlich auch hinsichtlich Tätowierungen vorliegen könnten, liegen durchaus vor (vgl. zur Einordnung als „Modephänomen“ etwa Schmidt, Das äußere Erscheinungsbild von Beamtenbewerbern, 2017, S. 175 und 177 mit dem Hinweis, mittlerweile gebe es etwa 3000 Tattoostudios in Deutschland). Dies gilt nicht nur in Bezug auf das Verhalten prominenter Vorbilder in Sport, Musik und Showbusiness (vgl. Lobstädt, Tätowierung, Narzissmus und Theatralität, 2011, S. 115 ff.). Nach einer Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach (Allensbacher Kurzbericht vom 8. Juli 2014) hat sich der Anteil der Tätowierten in Deutschland in den letzten zehn Jahren um über 40 % erhöht. 24 % der 16- bis 29-Jährigen – und damit fast jeder Vierte – hat zwischenzeitlich eine Tätowierung.

Bei Frauen liegt der Anteil in dieser Altersgruppe sogar bei 30 %, in Ostdeutschland (geschlechterübergreifend) bei 41 %. Insbesondere bei jüngeren Menschen und in Ostdeutschland hat die Verbreitung von Tätowierungen daher offenbar den Bereich von Subkulturen verlassen und „die Mitte der Gesellschaft erreicht“ (VG Halle, Urteil vom 18. Mai 2016 – 5 A 54/16 – juris Rn. 31; hierzu auch VG Düsseldorf, Beschluss vom 24. August 2017 – 2 L 3279/17 – juris Rn. 30). Die Frage, ob angesichts dieser Entwicklung weiterhin von einer allgemeinen Ablehnung oder Gefährdungen für die Repräsentations- oder Neutralitätsfunktion ausgegangen werden kann, bedarf daher einer aktualisierten Prüfung.

Dabei erscheint nicht ausgeschlossen, dass für die Tätowierung besonders exponierter

und auch beim Tragen einer Uniform sichtbarer Bereiche, wie Kopf, Hals, Hände und vielleicht auch Unterarme weiterhin von einer ausreichenden Gefährdungslage ausgegangen werden kann. Präzise Aussagen hierzu sind den vorhandenen Erkenntnisquellen nicht zu entnehmen. Die normative Leitentscheidung hierzu muss jedoch durch das Parlament und aufgrund aktueller Erkenntnisgrundlagen erfolgen.

Das Haben von Tätowierungen an sich verstößt damit nicht gegen eine dem

Beklagten wirksam auferlegte Pflicht. (…)

Das Tragen einer Tätowierung stellt gleichwohl eine Pflichtverletzung dar, wenn und soweit diese durch ihren Inhalt gegen andere beamtenrechtliche Pflichten verstößt. Dies ist nicht nur der Fall, wenn sich aus dem Inhalt der Tätowierung eine Straftat ergibt – wie etwa im Falle der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen nach § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB. Eine Tätowierung begründet vielmehr auch dann ein Dienstvergehen, wenn ihr Inhalt einen Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht des Beamten offenbart.“

Foto: Fotalia

Besoldung der Berliner Richter verfassungswidrig

Verfassungsgemäße Besoldung und kein Ende: Vorlage des VG Berlin zu den Besoldungsjahren 2016 und 2017 (zunächst: der Richter und Staatsanwälte)

Die Besoldung der Berliner Richter und Staatsanwälte in den Besoldungsgruppen R 1 und R 2 war in den Jahren 2016 und 2017 – wie bereits zuvor in den Jahren 2009 bis 2015 – in verfassungswidriger Weise zu niedrig. Da hat das Verwaltungsgericht  Berlin in mehreren Verfahren bei der 26. Kammer erkannt und mehrere Vorlagebeschlüsse zum Bundesverfassungsgericht gefasst. Für die Jahre 2018 bis 2021 hält das Gericht eine verfassungswidrige Unteralimentation nicht für gegeben.

Zuvor hatte das BVerfG in den Verfahren dreier Richter des Landes Berlin erkannt, dass die Besoldung in den Jahren 2009 bis 2015 zu niedrig war, und es hat diesbezüglich Maßstäbe dafür entwickelt, wann der Besoldungsgesetzgeber seinen weiten Entscheidungsspielraum hinsichtlich der konkreten Besoldungshöhe überschreitet und die Besoldung dann evident unzureichend ist.

Die 26. Kammer des Verwaltungsgerichts ist nun bei Anwendung dieser Grundsätze und umfangreicher Recherche zu den maßgeblichen Paramtetern zu der Überzeugung gelangt, dass die Richterbesoldung in den Jahren 2016 und 2017 den verfassungsrechtlichen Mindestvorgaben nicht genügt. Vier der fünf vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Parameter seien erfüllt: Die Besoldung habe sich deutlich schlechter entwickelt, als die Tarifentlohnung im öffentlichen Dienst, als der Nominallohnindex und als der Verbraucherpreisindex , zudem wahre die unterste Besoldungsgruppe A 4 bei weitem nicht den gebotenen Mindestabstand zum Grundsicherungsniveau. Die verfassungswidrige Unteralimentation könne auch nicht durch eine angespannte Finanzlage gerechtfertigt werden, weil keine umfassende Haushaltskonsolidierung vorgenommen, sondern einseitig zulasten von Richtern und Staatsanwälten gespart worden sei.

Für die Besoldungsjahre 2018 bis 2021 hält das Verwaltungsgericht Berlin die Richterbesoldung dagegen nicht für verfassungswidrig. Zwar werde weiterhin der Mindestabstand der untersten Besoldungsgruppe zum Grundsicherungsniveau deutlich unterschritten, allerdings lasse eine Gesamtabwägung aller alimentationsrelevanten Kriterien die Besoldung nicht als evident zu niedrig erscheinen.

Da bei bestehendem Gesetzerecht nur das Bundesverfassungsgericht eine Verfassungswidrigkeit der gesetzlich geregelten Berliner R-Besoldung feststellen kann (sog. Verwerfungskompetenz) , hat das Gericht die Frage der verfassungsgemäßen Besoldung für die Jahre 2016 und 2017 dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt.

Alles dies betrifft zunächst aber (zunächst) nur die Besoldung der Richter und Staatsanwälte.

Bezogen auf die Beamten des Landes Berlin  hatten  wir zeitgleich mit den damaligen „Pilotverfahren“ der Richterbesoldung geklagt und es hatte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig die Fragen der verfassungsmäßigen Besoldung  der Beamten für die Jahre 2009 bis 2015 zur gleichen Zeit dem Bundesverfassugsgericht vorgelegt, wie die Frage der Richterbesoldung. Dazu hat das BVerfg aber bis heute noch nicht entschieden.

Beim Verwaltungsgericht Berlin sind aber weiterhin zahlreiche Klageverfahren bzgl. der amtsangemessenen Alimentation der Beamten anhängig, sowohl bzgl. der Besoldung für die Jahre bis 2015, als auch für den nachfolgenden Zeitraum.

Das Verewaltungsgericht Berlin hat insoweit mitgeteilt, dass mündliche Verhandlungen zu ausgewählten Verfahren auch der Besoldung der Beamten ab dem Jahr 2016 sind in Vorbereitung sind.

Die Vorlagebeschlüsse der 26. Kammer vom 16. Juni 2023 haben die Aktenzeichen VG 26 K 245/23, VG 26 K 246/23 und VG 26 K 247/23 abweisende Urteile VG 26 K 128/23, VG 26 K 129/23 und VG 26 K 157/23)

Vorgeschichte:

Die erste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts liegt (seit Jahren) vor. Danach war die Besoldung der Berliner Richter/innen und Staatsanwälte/innen in den Jahren 2009 bis 2015 verfassungswidrig zu niedrig bemessen (BVerfG, Beschluss vom 04.05.2020, 2 BvL 4/18).

Das BVerfG hatte dem Berliner Besoldungsgesetzgeber aufgegeben, binnen (Jahres-) Frist ein „Reparaturgesetz“ zu erlassen. Auch dieses liegt zwischenzeitlich vor, regelt aber nur Besoldungsnachzahlungen bezogen auf den o. g. Zeitraum (2009 bis 2015) und ausschließlich für Richter/innen und Staatsanwälte/innen.

Dementsprechend sind sowohl die nachfolgenden Besoldungsjahre ab dem Jahr 2016 noch nicht gesetzlich geregelt, als auch die Besoldung der Berliner Beamten (insgesamt).

Auch bezogen auf die Berliner Beamten hatte das Bundesverwaltungsgericht im Jahr 2016 zeitgleich eine Reihe von Richtervorlagen an das Bundesverfassungsgericht gerichtet. Über diese Vorlagen ist bis heute noch nicht entschieden.

Auch bei den Beamten wird demnach voraussichtlich ein ähnlicher Beschuss des BVerfG wie bei den Richtern und Staatsanwälten kommen, und nachfolgend auch dort ein Reparaturgesetz.

So erfreulich diese Entwicklung ist: ein Ende der Auseinandersetzung ist nicht in Sicht, und dies vermutlich noch über viele Jahre. Denn dass das Bundesverwaltungsgericht nur die Besoldungsjahre bis einschl. 2015 vorgelegt hat, war ersichtlich dem Umstand geschuldet, dass die dortige Vorlage im Jahr 2016 erfolgt ist und sich nur auf bis dahin abgeschlossene Besoldungsjahre beziehen konnte.

 Foto: Fotalia

Kein Kindererziehungszuschlag bei Mindestruhegehalt

Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass der Kindererziehungszuschlag bzw. Kindererziehungsergänzungszuschlag gem. § 50 a BeamtVG einer Ruhestandsbeamtin / einem Ruhestandsbeamten nicht zusteht, wenn er ein Mindestruhegehalt nach § 14 Abs. 4 BeamtVG bezieht.

In der Begründung wird ausgeführt, dass es sich bei den kindbezogenen Leistungen um solche handelt, die aus dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung in das Beamtenversorgungsrecht übernommen worden sind und die nicht zu den beamtenversorgungsrechtlichen Grundprinzipien gehören (Urteile vom 23.06.2016, 2 C 17/14, sowie vom  19.01.2017, 2 C 1/16 u.a.).

Im Bundesrecht ist in der Neufassung des Beamtenversorgungsgesetzes (ab 1.03.2009) in § 50 Buchst. a Abs. 7 ein Satz 2 angefügt worden, wonach der Abs. 1 (die Rechtsgrundlage für den Kindererziehungszuschlag) auf das Mindestruhegehalt nicht anzuwenden ist.

Das Berliner LBeamtVG sieht eine solche Regelung nicht vor. Allerdings hat das Bundesverwaltungsgericht auch entschieden, dass bereits vor dem Hinzufügen des bezeichneten Satzes 2 zu § 50 a Abs. 7 BeamtVG kein Anspruch auf zusätzliche kindebezogene Leistungen bei Erhalt einer Mindestversorgung bestanden habe. Insoweit wird man auch für die Berliner Beamten aus dem Fehlen dieses Satzes in der hiesigen Regelung nichts Günstiges herleiten können.

Das Landesverwaltungsamt ändert daraufhin Versorgungsfestsetzungsbescheide, die einen Kindererziehungszuschlag bzw. Kindererziehungsergänzungszuschlag zu einem Mindestruhegehalt enthalten, für die Zukunft ab.

 

 

Moderne Handprothese als Dienstunfallfürsorge

Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 18. März 2015 VG 7 K 84/14

Das Verwaltungsgericht Berlin hat erkannt, dass einem Polizeibeamten (im Ruhestand), der bei einem Dienstunfall die rechte Hand im Handwurzel-Mittelhandgelenk verloren hatte, im Wege der Dienstunfallfürsorge eine prothetische Versorgung mit einer modernen i-Limb-Digits-Teilhandprothese zu einem Preis von insgesamt 116.991,02 € zusteht.

Das hierfür zuständige Landesverwaltungsamt hatte diese Versorgung mit der Begründung abgelehnt, durch eine entsprechende Kostenübernahme würden die Grundsätze der Notwendigkeit und Angemessenheit weit überschritten. Der Kläger sei mit den bisher zur Verfügung gestellten Hilfsmitteln hinreichend versorgt (wobei anzumerken ist, dass die bisherige prothetische Versorgung mit Aufsätzen für Haken und Hammer eher an Captain Hook aus dem Film „Peter Pan“ erinnerte).

 Das VG hat sein Urteil wie folgt begründet:

„Der Anspruch eines durch Dienstunfall Verletzten auf ein Heilverfahren wird grundsätzlich dadurch erfüllt, dass ihm die notwendigen und angemessenen Kosten erstattet werden (§ 1 Abs. 1 HeilVfV). Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 HeilVfV werden die Kosten für Hilfsmittel (Körperersatzstücke, orthopädische und andere Hilfsmittel) und deren Zubehör, soweit sie 600,00 € übersteigen, sowie die Kosten für eine notwendige Ausbildung in ihrem Gebrauch grundsätzlich nur erstattet, wenn die Dienstbehörde die Erstattung vorher zugesagt hat (…).

Der Kläger hat auch materiell einen Anspruch auf die begehrte Kostenübernahme.  (…)

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die beantragte Versorgung mit einer i-Limb-Digits-Teilhandprothese notwendig im Sinne des § 33 Abs. 1 Nr. 2 LBeamtVG.

Bezugspunkt des Begriffs der Notwendigkeit ist der durch den Dienstunfall eingetretene pathologische Zustand. Maßgebend ist das physische, psychische und/oder soziale Defizit, das durch den Dienstunfall verursacht worden ist und das danach bestimmte Ziel, das mit dem Heilverfahren erreicht werden soll. Der Dienstherr hat aufgrund seiner gesteigerten Verantwortung für den dienstlich veranlassten Unfall die Maßnahmen zu treffen, um einen durch einen Dienstunfall verursachten Körperschaden des Beamten im vollen Umfang zu beheben (vgl. Plog/Wiedow, BBG Kommentar, Bd. 2, BeamtVG, § 33 Rn. 39, 42). Kann der Körperschaden – wie hier – nicht behoben werden, ist das Ziel des Heilverfahrens die möglichst weitgehende Erleichterung der Unfallfolgen.

 Nach Darlegung der definitorischen Grundlagen führt das Gericht weiter aus:

 „Ausgehend von diesen Maßstäben ist die Versorgung mit der i-Limb-Digits-Teilhandprothese notwendig, um das durch den Teilverlust der Hand bestehende Funktionsdefizit auszugleichen.

 Die i-Limb-Digits-Teilhandprothese ist für die Versorgung des Klägers geeignet. (…). Die begehrte Prothese ist auch erforderlich. Denn alternative Versorgungsmöglichkeiten, die das Funktionsdefizit in gleichwertiger Art und Weise ausgleichen und günstiger sind, sind nicht ersichtlich. Die von dem Versorgungamt im Verwaltungsverfahren vorgeschlagene Einzug- bzw. Zweizughand von Otto Bock funktioniert mechanisch über eine Kraftzugbandage und ist von der Greiffunktion her nicht gleichwertig. (…) Myoelektrische Unterarmprothesen kommen nicht in Betracht, da bei dem Kläger ein Teil der Hand erhalten ist und eine weitere Amputation nicht zumutbar ist (…).

Für die Frage der Notwendigkeit der Versorgung mit der begehrten Prothese kommt es nicht auf den konkreten Einsatzzweck an und auch nicht darauf, wie oft der Kläger die Prothese nutzen wird oder ob er bisher ohne myoelektrische Prothese zurechtgekommen ist. Insoweit sind die von der sozialgerichtlichen Rechtsprechung zu § 33 SGB V entwickelten Grundsätze auf das Dienstunfallrecht zu übertragen (mit Hinweis auf VGH München, VGH 3 B 04.86, juris).

(…)

 Der Begriff der Erleichterung der Unfallfolgen gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 2 LBeamtVG gebietet im Hinblick auf die gesteigerte Verantwortung des Dienstherrn für den dienstlich veranlassten Unfall einen möglichst weitgehenden Ausgleich des Funktionsdefizits, mindestens auf dem Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung.

 Entgegen der Auffassung des Beklagten steht die Angemessenheit der Kosten im Sinne des § 1 Abs. 1 HeilVfV dem Anspruch des Klägers nicht entgegen. Da alternative gleichwertige Versorgungsmöglichkeiten nicht zur Verfügung stehen, kann der Beklagte die prothetische Versorgung mit der i-Limb-Digits-Teilhandprothese nicht aus Kostengründen ablehnen (…).“

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