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Verbot der Führung der Dienstgeschäfte

Verbot der Führung de Dienstgeschäfte,  §39 BeamtStG, §66 BBG

Bei dem Verbot der Führung der Dienstgeschäfte handelt es sich um eine beamtenrechtliche Maßnahme (nicht: Disziplinarrecht). Das Verbot nach § 39 BeamtStG ist eine Maßnahme, die ihrer Natur nach vorläufig ist. Das Verbot erlischt, wenn nicht bis zum Ablauf von 3 Monaten gegen die Beamtin oder den Beamten ein Disziplinarverfahren (…) eingeleitet worden ist. § 39 BeamtStG bietet dem Dienstherrn mithin die Möglichkeit, bei Bekanntwerden von Verfehlungen, welche eine weitere dienstliche Verwendung problematisch erscheinen lassen, den Beamten gewissermaßen auf Zeit „aus dem Verkehr zu ziehen“. Betroffen ist davon die Dienstausübung, die Bezüge werden in voller Höhe weitergezahlt.

Insofern ist diese vorläufige dienstrechtliche Maßnahme von einer nach Einleitung des Disziplinarverfahrens möglichen disziplinarrechtlichen Suspendierung nach § 38 DiszG zu unterscheiden. Bei der disziplinarrechtlichen Suspendierung kann je nach den wirtschaftlichen Verhältnissen eine Kürzung der Dienstbezüge bis auf 50% erfolgen.

Gesetzeswortlaut:

§ 39 BeamtStG Verbot der Führung der Dienstgeschäfte

Beamtinnen und Beamten kann aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verboten werden. Das Verbot erlischt, wenn nicht bis zum Ablauf von drei Monaten gegen die Beamtin oder den Beamten ein Disziplinarverfahren oder ein sonstiges auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren eingeleitet worden ist.

Zu der Tatbestandsvoraussetzung des § 39 BeamtStG (zwingende dienstliche Gründe) etwa Verwaltungsgericht Berlin, VG 36 L 297.15:

„Das Tatbestandsmerkmal der „zwingenden dienstlichen Gründe“ stellt einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, der der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Zwingende dienstliche Gründe liegen in solchen Umständen, die eine weitere Ausübung der Dienstgeschäfte durch den Beamten nicht vertretbar erscheinen lassen, weil andernfalls mit großer Wahrscheinlichkeit schwerwiegende Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit der Verwaltung, Dritter oder des Beamten selbst drohen. Sie sind gegeben, wenn bei weiterer Ausübung des Dienstes durch den Beamten auf seinem bisherigen Dienstpostender Dienstbetrieb erheblich beeinträchtigt werden würde oder andere gewichtige dienstliche Nachteile ernsthaft zu besorgen wären (OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 25. Februar 2011 – OVG 4 S 40.10 -; OVG Lüneburg, Beschl. v. 20. April 2010 – 5 ME 282.09 – juris, Rn.13 m.w.N.; zur entsprechenden Vorschrift des §22 SG: BVerwG, Beschl. v. 17. Juli 1977 – 1 WB 67.78 Rn. 40).“

OVG Lüneburg, Beschluss vom 20. April 2010 – 5 ME 282/09 –, juris

Ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte wegen des Verdachts einer Straftat erweist sich als verhältnismäßig, wenn sich die Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis oder dessen Zurückstufung im Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung nicht ausschließen lässt, sondern ernsthaft in Betracht zu ziehen ist. 

Ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte kann aber auch aus anderen Gründen als etwa dem verdacht einer Straftat erfolgen, es kann zum Beispiel auch den Fall erfassen, dass ein Beamter wegen akuter psychischer Störungen im Dienst nicht mehr „tragbar“ erscheint.
Rechtsfolgen:
Die Rechtsstellung des Beamten bleibt – ausgenommen die Dienstausübung – unverändert. Die Zeit der  „Zwangsbeurlaubung“ wird auch nicht auf den Erholungsurlaub angerechnet. Der Beamte erhält weiter seine Bezüge, die – anders als bei einer Suspendierung nach dem Disziplinarrecht – nicht gekürzt werden. Allerdings können Zulagen wegfallen. Will der Beamte eine andere Tätigkeit ausüben, bedarf er ggf. einer Nebentätigkeitsgenehmigung.

Mitteilungspflicht gegenüber dem Dienstherrn

Sind Beamte von einem Strafermittlungsverfahren betroffen, bestehen Mitteilungspflichten der Strafjustiz gegenüber dem Dienstherrn. Dies ist in § 49 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) geregelt. Die Ermittlungsakte wird mit einem Aufkleber „Mitteilungspflicht“ versehen.

 

§ 49 Beamtenstatusgesetz: Übermittlungen bei Strafverfahren

(1) Das Gericht, die Strafverfolgungs- oder die Strafvollstreckungsbehörde hat in Strafverfahren gegen Beamtinnen und Beamte zur Sicherstellung der erforderlichen dienstrechtlichen Maßnahmen im Fall der Erhebung der öffentlichen Klage
1. die Anklageschrift oder eine an ihre Stelle tretende Antragsschrift,
2. den Antrag auf Erlass eines Strafbefehls und
3. die einen Rechtszug abschließende Entscheidung mit Begründung zu übermitteln.
Ist gegen die Entscheidung ein Rechtsmittel eingelegt worden, ist die Entscheidung unter Hinweis auf das eingelegte Rechtsmittel zu übermitteln. Der Erlass und der Vollzug eines Haftbefehls oder eines Unterbringungsbefehls sind mitzuteilen.

(2) In Verfahren wegen fahrlässig begangener Straftaten werden die in Absatz 1 Satz 1 bestimmten Übermittlungen nur vorgenommen, wenn
1. es sich um schwere Verstöße handelt, namentlich Vergehen der Trunkenheit im Straßenverkehr oder der fahrlässigen Tötung, oder
2. in sonstigen Fällen die Kenntnis der Daten aufgrund der Umstände des Einzelfalls erforderlich ist, um zu prüfen, ob dienstrechtliche Maßnahmen zu ergreifen sind.

(3) Entscheidungen über Verfahrenseinstellungen, die nicht bereits nach Absatz 1 oder 2 zu übermitteln sind, sollen übermittelt werden, wenn die in Absatz 2 Nr. 2 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Dabei ist zu berücksichtigen, wie gesichert die zu übermittelnden Erkenntnisse sind.

(4) Sonstige Tatsachen, die in einem Strafverfahren bekannt werden, dürfen mitgeteilt werden, wenn ihre Kenntnis aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls für dienstrechtliche Maßnahmen gegen eine Beamtin oder einen Beamten erforderlich ist und soweit nicht für die übermittelnde Stelle erkennbar ist, dass schutzwürdige Interessen der Beamtin oder des Beamten an dem Ausschluss der Übermittlung überwiegen. Erforderlich ist die Kenntnis der Daten auch dann, wenn diese Anlass zur Prüfung bieten, ob dienstrechtliche Maßnahmen zu ergreifen sind. Absatz 3 Satz 2 ist entsprechend anzuwenden.

(5) Nach den Absätzen 1 bis 4 übermittelte Daten dürfen auch für die Wahrnehmung der Aufgaben nach dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz oder einem entsprechenden Landesgesetz verwendet werden.

(6) Übermittlungen nach den Absätzen 1 bis 3 sind auch zulässig, soweit sie Daten betreffen, die dem Steuergeheimnis (§ 30 der Abgabenordnung) unterliegen. Übermittlungen nach Absatz 4 sind unter den Voraussetzungen des § 30 Abs. 4 Nr. 5 der Abgabenordnung zulässig.

Weitere und genauere Regelungen finden  sich in der  „Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen“ (MiStra). Die bloße Einleitung eines Strafverfahrens gegen einen Beamten begründet nach der MiStra noch keine Verpflichtung der Staatsanwaltschaften zur Mitteilung an den Dienstvorgesetzten. Nr. 15 MiStra  regelt für Beamte und Richter im aktiven Dienst  die Verpflichtung der Staatsanwaltschaften und Gerichte („sind mitzuteilen“) zur Mitteilung an den Dienstherrn in Abhängigkeit von der Eingriffsintensität der strafprozessualen Maßnahmen abhängig:

(1) In Strafsachen gegen Personen, die in einem Beamten- oder Richterverhältnis stehen, sind mitzuteilen
1. der Erlass und der Vollzug eines Haft- oder Unterbringungsbefehls,
2. die Anklageschrift oder eine an ihre Stelle tretende Antragsschrift,
3. der Antrag auf Erlass eines Strafbefehls und
4. die einen Rechtszug abschließende Entscheidung mit Begründung sowie ggf. mit dem Hinweis, dass ein Rechtsmittel eingelegt worden ist.
(2) Absatz 1 gilt in Verfahren wegen Privatklagedelikten nur, wenn die Staatsanwaltschaft das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht hat; Nummer 29 bleibt unberührt. In Verfahren wegen fahrlässig begangener Straftaten sind Mitteilungen nach Absatz 1 Ziff. 2 bis 4 nur zu machen, wenn

1. es sich um schwere Verstöße, namentlich Vergehen der Trunkenheit im Straßenverkehr oder der fahrlässigen Tötung, handelt oder

2. in sonstigen Fällen die Kenntnis der Daten auf Grund der Umstände des Einzelfalles erforderlich ist, um zu prüfen, ob dienstrechtliche Maßnahmen zu ergreifen sind.

(3) Entscheidungen über Verfahrenseinstellungen, die nicht bereits nach Absatz 1 oder 2 zu übermitteln sind, sollen übermittelt werden, wenn die in Absatz 2 Ziff. 2 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Dabei ist zu berücksichtigen, wie gesichert die zu übermittelnden Erkenntnisse sind. Übermittelt werden sollen insbesondere Einstellungsentscheidungen gem. § 170 Abs. 2 StPO, die Feststellungen zu einer Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB enthalten. Die Mitteilung ordnen Richterinnen oder Richter, Staatsanwältinnen oder Staatsanwälte an.
(4) Übermittlungen nach den Absätzen 1 bis 3 sind auch zulässig, soweit sie Daten betreffen, die dem Steuergeheimnis (§ 30 AO) unterliegen.
(5) Die Mitteilungen sind an die zuständigen Dienstvorgesetzten oder deren Vertretung im Amt zu richten und als „Vertrauliche Personalsache“ zu kennzeichnen.

Nr. 15 Abs. 1 MiStra betrifft die Mitteilungspflicht für vorsätzlich begangene Straftaten, Nr. 15 Abs. 2 MiStra für Fahrlässigkeitstaten und Privatklagedelikte. In Nr. 15 Abs. 3 MiStra sind die Mitteilungspflichten im Falle der Verfahrenseinstellung geregelt. Nr. 15 Abs. 4 MiStra beinhaltet eine Ausnahme von dem Grundsatz des Steuergeheimnisses. Nr. 15 Abs. 5 MiStra nennt den Dienstvorgesetzten als Adressaten der Mitteilung und die Kennzeichnungspflicht als „Vertrauliche Personalsache“.

Vorsätzlich begangene Straftaten, Nr. 15 Abs. 1 MiStra
Bei vorsätzlich begangenen Straftaten sind mitzuteilen der Erlass und der Vollzug eines Haft- oder Unterbringungsbefehls, Sitzungshaftbefehls (§ 230 StPO) und Vollstreckungshaftbefehls (§ 457 StPO).
Mitzuteilen sind außerdem die Anklageschrift, der Antrag auf Erlass eines Strafbefehls und die einen Rechtszug abschließende Entscheidung mit Begründung sowie ggf. mit dem Hinweis, dass ein Rechtsmittel eingelegt worden ist.
Verfahrenseinstellungen nach Anklageerhebung werden mitgeteilt („sollen übermittelt werden „), Verfahrenseinstellungen vor Anklageerhebung nach § 170 Abs. 2 StPO oder den §§ 153 ff. StPO nur, wenn das im Einzelfall erforderlich erscheint, um dienstrechtliche Maßnahmen ergreifen zu können. Dabei muß aber berücksichtigt werden, „wie gesichert die zu übermittelnden Erkenntnisse sind“. Übermittelt werden sollen insbesondere Einstellungsentscheidungen gem. § 170 Abs. 2 StPO, die Feststellungen zu einer Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB enthalten.

Nr. 18 MiStra Strafsachen gegen Versorgungsberechtigte
In Strafsachen gegen Personen, denen aufgrund früherer Dienstverhältnisse als Richterinnen oder Richter, Beamtinnen oder Beamte, Soldatinnen oder Soldaten Ansprüche auf Versorgungsbezüge zustehen oder Versorgungsleistungen gewährt werden, sind mitzuteilen

1.der für die Festsetzung der Versorgungsbezüge zuständigen Behörde das rechtskräftige Urteil, wenn

a) wegen einer vor Beendigung des Amts- oder Dienstverhältnisses begangenen vorsätzlichen Tat
aa) eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verhängt,
bb) eine Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten – bei Soldatinnen und Soldaten eine Freiheitsstrafe in beliebiger Höhe – nach den Vorschriften über Friedensverrat, Hochverrat, Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates oder Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit verhängt,
cc) die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter aberkannt oder
dd) nur bei Soldatinnen und Soldaten – eine Maßregel der Besserung und Sicherung nach §§ 64, 66 StGB angeordnet worden ist oder
b) wegen einer nach Beendigung des Amts- oder Dienstverhältnisses begangenen vorsätzlichen Tat
aa) eine Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren oder
bb) eine Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten nach den Vorschriften über Friedensverrat, Hochverrat, Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates oder Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit verhängt worden ist.

 

Suspendierung – Vorläufige Dienstenthebung und Einbehaltung von Bezügen

Nach §38 Abs. 1 DiszG / BDG kann die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde eine Beamtin / einen Beamten mit oder nach Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben (sog. Suspendierung) und anordnen, dass bis zu 50 % (bei Ruhestandsbeamten: bis zu 30 %) der monatlichen Dienst- oder Anwärterbezüge einbehalten werden (Absätze 2 und 3), wenn voraussichtlich auf Entfernung aus dem Dienst oder Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird.

Bei der Entscheidung über den Einbehalt von Bezügen handelt es sich um eine Ermessensvorschrift.

Während der Dauer einer vorläufigen Dienstenthebung ruht der Anspruch auf das Aufsteigen in Erfahrungsstufen (§27 Abs. 6 BBesGÜfBE). Zudem entfällt auch der Anspruch auf Gewährung der Polizeizulage und einer Erschwerniszulage.  Ferner besteht auch kein Anspruch auf die Gewährung der jährlichen Sonderzahlung (§4 Abs. 1 SZG). Der Anspruch auf Erholungsurlaub bleibt unberührt.

Gegen die disziplinare Suspendierung / Einbehaltungsanordnung kann direkt bei der Disziplinarkammer des Verwaltungsgerichts Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt werden. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die prognostische Bewertung des Dienstherrn, wonach eine Entfernung aus dem Dienst zu erwarten sei, angegriffen werden soll, oder wenn zumindest eine Korrektur des Einbehaltungssatzes erreicht werden soll.

Die Suspendierung mit möglicher Einbehaltung eines Teils der Dienstbezüge erfolgt im bereits eingeleiteten Disziplinarverfahren.

Vor der Einleitung eines Disziplinarverfahrens kann der Dienstherr beamtenrechtlich mit einem Verbot der Führung der Dienstgeschäfte (§39 BeamtStG / §66 BBG) vorgehen. Dieses Verbot der Amtsausübung ist nicht mit einer Bezügekürzung verbunden und erlischt, wenn nicht binnen drei Monaten ein Disziplinarverfahren oder ein sonstiges auf die Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren eingeleitet wird.

 

 

Doppelbestrafungsverbot

Gemäß §14 DiszG / BDG darf wegen desselben Sachverhalts, der bereits im Straf- oder Bußgeldverfahren zu einer Strafe, Geldbuße oder Ordnungsmaßnahme geführt hat, ein Verweis, eine Geldbuße oder eine Kürzung des Ruhegehalts nicht ausgesprochen werden (Abs. 1 Nr. 1).

Eine Kürzung der Dienstbezüge oder eine Zurückstufung darf nur erfolgen, wenn dies zur Pflichtenmahnung der Beamtin / des Beamten zusätzlich erforderlich ist.

In der Praxis ist es also mitunter besser, wenn ein Strafverfahren gegen einen Beamten gegen Zahlung eines Geldbetrages nach §153 a StPO eingestellt wird, als  nach §153 StPO ohne eine solche Zahlung.

Allerdings spielt hier  die Tatidentität eine Rolle („…wegen desselben Sachverhalts“). Nach BVerwG, Urt, v. 20.02.2001, 1 D 7/00 kommt es dabei nicht auf die straf- oder disziplinarrechtliche Würdigung des Tatverhaltens an, sondern allein  auf den historischen Geschehensablauf (Tathergang). „Dadurch, dass der historische Vorgang besondere disziplinare Aspekte hat, die vom strafrechtlichen Tatbestand nicht erfasst werden, wird die Identität des Sachverhalts in beiden Verfahren nicht beseitigt. Der strafprozessuale Tatbegriff des §§ 264 StPO, der mit dem disziplinarrechtlichen übereinstimmt, ist dahin zu verstehen, dass er als einheitlicher geschichtlicher Vorgang gilt, bei dem die einzelnen Lebensverhältnisse so miteinander verknüpft sind, dass sie nach der Lebensauffassung eine Einheit bilden und ihre Behandlung in getrennten Verfahren als unnatürliche Aufspaltung eines zusammengehörenden Geschehens erscheinen würde“ (NJW 2001, 3353).

Dienstvergehen

Ein Dienstvergehen ist ein pflichtwidriges, vorwerfbares Verhalten eines Beamten oder Soldaten. § 77 BBG bestimmt: „Beamtinnen und Beamte begehen ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Außerhalb des Dienstes ist dieses nur dann ein Dienstvergehen, wenn die Pflichtverletzung nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.“

Werden Tatsachen bekannt, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen, veranlasst der Dienstvorgesetzte die zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlichen Vorermittlungen, §§ 17, 21 BDG.

Unterscheiden wird mithin zwischen innerdienstlichen und außerdienstlichen Dienstvergehen. Außerdienstliche Verhaltensweisen müssen eine gewisse Erheblichkeit aufweisen, um als Dienstvergehen qualifiziert zu werden.

Dazu VG Berlin, Urt. v. 6.11.2012, 80 K 30.10 OL, Rn. 49 ff.):

Das Verhalten eines Beamten außerhalb des Dienstes erfüllt den objektiven Tatbestand eines Dienstvergehens, wenn die besonderen qualifizierenden Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 Satz 2 LBG a.F. erfüllt sind. Es muss nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet sein, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt oder das Ansehen des öffentlichen Dienstes bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Das Merkmal „in besonderem Maße“ bezieht sich auf die Eignung zur Achtungs- und Vertrauensbeeinträchtigung und ist nur erfüllt, wenn das Verhalten des Beamten in quantitativer oder qualitativer Hinsicht über das für eine jede Eignung vorausgesetzte Mindestmaß an Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung hinausgeht. Ist eine derart qualifizierte Möglichkeit der Beeinträchtigung gegeben, kommt es weiterhin darauf an, ob diese Beeinträchtigung bedeutsam wäre. Das Merkmal „in bedeutsamer Weise“ bezieht sich auf den „Erfolg“ der möglichen Achtungs- und Vertrauensbeeinträchtigung. Die zur Beeinträchtigung in besonderem Maße geeignete Pflichtverletzung weist Bedeutsamkeit auf, wenn sie in qualitativer oder quantitativer Hinsicht das einer jeden außerdienstlichen Pflichtverletzung innewohnende Maß an disziplinarrechtlicher Relevanz deutlich überschreitet BVerwG, Urt. v. 19. August 2010). 

Ein außerdienstliches Dienstvergehen kann auch disziplinarrechtliche Konsequenzen bis hin zur Höchstmaßnahme nach sich ziehen, wenn besondere qualifizierende Umstände vorhanden sind, insbesondere bei dienstlichem Bezug. Der dienstliche Bezug ist gegeben, wenn aufgrund des außerdienstlichen Verhaltens Zweifel bestehen, ob der Beamte seine innerdienstlichen Pflichten beachten wird; ebenso, wenn zu befürchten ist, dass der Beamte wegen der gegen ihn bestehenden Vorbehalte nicht mehr die Autorität genießt, auf die er für die Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben zwingend angewiesen ist (BVerwG Urt. v. 19. August 2010). 

Ein solcher Dienstbezug kann etwa bei dem Vorwurf des Besitzes Kinderpornographischen Materials bestehen,  wenn davon ein Polizeibeamter oder auch ein Lehrer betroffen ist( vgl. auch Maßnamebemessung).

strafgerichtliche Urteile, Bindungswirkung

Nach § 23 Abs. 1 LDG Bln. / § 57 Abs. 1 Satz 1 BDG sind die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen strafgerichtlichen Urteils im nachfolgenden Disziplinarverfahren, das denselben Sachverhalt zum Gegenstand hat, für das Gericht bindend. Nach Satz 2 hat das Gericht jedoch die erneute Prüfung solcher Feststellungen zu beschließen, die offenkundig unrichtig sind. Die gesetzliche Bindungswirkung dient der Rechtssicherheit. Sie soll verhindern, dass zu ein- und demselben Geschehensablauf unterschiedliche Tatsachenfeststellungen getroffen werden. Der Gesetzgeber hat sich dafür entschieden, die Aufklärung eines sowohl strafrechtlich als auch disziplinarrechtlich bedeutsamen Sachverhalts sowie die Sachverhalts- und Beweiswürdigung den Strafgerichten zu übertragen. Dieser Entscheidung muss bei der Auslegung des gesetzlichen Begriffs der offenkundigen Unrichtigkeit im Sinne von § 57 Abs. 1 Satz 2 BDG Rechnung getragen werden (BVerwG, Beschl. v. 26.08,2010, 4 B 43/10).

Daher sind die Verwaltungsgerichte nur dann berechtigt und verpflichtet, sich von den Tatsachenfeststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils zu lösen und den disziplinarrechtlich bedeutsamen Sachverhalt eigenverantwortlich zu ermitteln, wenn sie ansonsten „sehenden Auges“ auf der Grundlage eines unrichtigen oder aus rechtsstaatlichen Gründen unverwertbaren Sachverhalts entscheiden müssten. Dies ist etwa der Fall, wenn die Feststellungen in einem entscheidungserheblichen Punkt unter offenkundiger Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften zustande gekommen sind. Hierunter fällt auch, dass das Strafurteil auf einer Urteilsabsprache beruht, die den rechtlichen Anforderungen nicht genügt. Darüber hinaus entfällt die Bindungswirkung des § 57 Abs. 1 Satz 1 BDG, wenn Beweismittel eingeführt werden, die dem Strafgericht nicht zur Verfügung standen und nach denen seine Tatsachenfeststellungen zumindest auf erhebliche Zweifel stoßen (BVerwG ebd.).

Maßnahmebemessung

Bemessung disziplinarer Maßnahmen

Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich gemäß § 13 DiszG / § 13 BDG nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung.

Den Bedeutungsgehalt dieser gesetzlichen Begriffe hat das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 20. Oktober 2005 näher bestimmt (BVerwGE 124, 252). Danach ist maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 BDG die Schwere des Dienstvergehens. Sie beurteilt sich zum einen nach Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße Maßnahmebemessung weiterlesen