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Besoldung bei begrenzter Dienstfähigkeit

Besoldung bei begrenzter Dienstfähigkeit

Nach der Entscheidung des BVerfG, wonach Ausgleichszahlung bei Teilzeitbesoldung wegen begrenzter Dienstfähigkeit verfassungswidrig zu niedrig ist (BVerfG, Beschl. v. 28.11.2018, 2 BvL 3/15, bezogen auf die Regelung in Niedersachsen), hat nun endlich das Land Berlin den bei begrenzter Dienstfähigkeit zu zahlenden, nicht ruhegehaltsfähigen Zuschlag mit dem neu in das BBesG ÜF Bln.  (Bundesbesoldungsgesetz Überleitungsfassung Berlin) eingefügten  § 6b  geändert. Danach beträgt der Zuschlag 50 % des Unterschiedsbetrages  zwischen den gekürzten Dienstbezügen und denen, die bei rglm. wöchentlicher Arbeitszeit zu zahlen wären.

Insoweit bestimmt § 6b BBesG ÜF BE  (Besoldung bei begrenzter Dienstfähigkeit)

(1) Bei begrenzter Dienstfähigkeit ( § 27 des Beamtenstatusgesetzes ) findet auf die zustehende Besoldung § 6 Absatz 1 entsprechende Anwendung. Die Besoldung nach Satz 1 wird um einen nicht ruhegehaltsfähigen Zuschlag nach Absatz 2 ergänzt.

(2) Der Zuschlag nach Absatz 1 Satz 2 beträgt 50 Prozent des Unterschiedsbetrages zwischen den nach Absatz 1 Satz 1 gekürzten Dienstbezügen und den Dienstbezügen, die nach der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit zu zahlen wären. Wird die Arbeitszeit in begrenzter Dienstfähigkeit auf Grund einer Teilzeitbeschäftigung nochmals reduziert, verringert sich der Zuschlag nach Satz 1 entsprechend dem Verhältnis zwischen der wegen begrenzter Dienstfähigkeit verringerten Arbeitszeit und der insgesamt reduzierten Arbeitszeit.

Problematisch erscheint insoweit, dass dienstunfallbedingt begrenzt dienstfähige Beamte ebenso behandelt werden wie solche, die allgemein begrenzt dienstfähig sind. Während also bei dienstunfallbedingter Dienstunfähigkeit und einem zeitlichen Leistungsvermögen unter 50% ein Dienstunfallruhegehalt bezogen wird, welches gegenüber einem regulären Ruhegehalt bei vorzeitiger Zurruhesetzung deutlich besser ausfällt, bleiben beide Gruppen bei begrenzter Dienstfähigkeit gleichgestellt.

Das könnte man vor dem Hintergrund des Gleichheitssatzes als eine ungerechtfertigte Gleichbehandlung zweier ungleicher Sachverhalte in Frage stellen.

Allerdings wäre ein solches Vorgehen der Sache nach schwierig: Denn die Regelung, wonach bei begrenzter Dienstunfähigkeit und daraus resultierender Teilzeit nicht zwischen unfallbedingter Teildienstunfähigkeit und allgemeiner Teildienstunfähigkeit differenziert wird, ist eine gesetzliche Regelung. Auch dass der Zuschlag nicht versorgungswirksam ist, steht im Gesetz.

Gegen das Gesetz kann aber weder die Behörde, noch das Gericht entscheiden. Nur das Verfassungsgericht könnte das. Dazu muss aber erst über Jahre der Rechtsweg erschöpft werden, und eine Verfassungsbeschwerde gegen die letzte instanzgerichtliche Entscheidung würde von einer Rechtsschutzversicherung nicht abgedeckt.

Auch ist fraglich, ob ein solches Vorgehen in der Sache Erfolg hätte. Denn der Gleichheitssatz verbietet nicht jede Ungleichbehandlung, und die Dienstunfallfürsorge sieht Ansprüche vor, die ebenfalls gesetzlich geregelt sind. Einen Anspruch gegen den Gesetzgeber auf Schaffung einer dortigen weiteren Rechtsgrundlage wird es aber wohl kaum geben.

Unberechtigte Abfragen bei POLIKS, geänderte Rechtslage

Im Zuge der Umsetzung der europäischen Datenschutz – Richtlinie ist auch das Berliner Datenschutzgesetz geändert worden. Eine für unsere Praxis wichtige Änderung betrifft die Strafbarkeit von Datenschutzverstößen:

Die bisherige Vorschrift des § 32 Abs. 1 BlnDSG, welche das Übermitteln oder Verändern oder das Abrufen oder das sich Verschaffen aus in Behältnissen verschlossenen Dateien  unter Strafe gestellt hat,  ist nicht mehr existen bzw.  als Ordnungswidrigkeitentatbestand ausgestaltet. Insoweit bestimmt jetzt § 29 BlnDSG (n.F.), in der seit dem 24. Juni 2018 in Kraft getretenen Fassung folgende Regelung:

§ 29 Ordnungswidrigkeiten, Strafvorschriften

(1) Ordnungswidrig handelt, wer entgegen den Vorschriften der Verordnung (EU) 2016/679, dieses Gesetzes sowie anderer Vorschriften über den Datenschutz personenbezogene Daten, die nicht offenkundig sind, unbefugt verarbeitet. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 50 000 Euro geahndet werden.

(2) Wer die in Absatz 1 bezeichneten Handlungen gegen Entgelt oder in der Absicht begeht, sich oder eine andere Person zu bereichern oder zu schädigen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe bestraft.

(3) Die Tat nach Absatz 2 wird nur auf Antrag verfolgt. Antragsberechtigt ist die betroffene Person, der Verantwortliche und die oder der Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit.

(4) Eine Meldung nach Artikel 33 der Verordnung (EU) 2016/679 oder eine Benachrichtigung nach Artikel 34 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 darf in einem Straf- oder Bußgeldverfahren gegen die meldepflichtige oder benachrichtigende Person oder deren in § 52 Absatz 1 der Strafprozessordnung bezeichneten Angehörigen nur mit Zustimmung der meldepflichtigen oder benachrichtigenden Person verwendet werden.

Praktisch bedeutet das z.B., dass ein unberechtigtes Abfragen etwa aus der Polizeidatenbank POLIKS keine Straftat mehr darstellt, sondern „nur noch“ eine Ordnungswidrigkeit. In der Praxis werden allerdings in letzter Zeit nicht unerhebliche Bußgelder verhängt.

Eingruppierung der Mitarbeiter des Zentralen Objektschutzes

Neuer Stand der Verfahren Eingruppierung ZOS:

Das Bundesarbeitsgericht hat nach jahrelangen Rechtsstreiten in zahlreichen Musterklageverfahren, welche vom Arbeitsgericht Berlin und vom LAG Berlin-Brandenburg überwiegend zum Nachteil der Kläger entschieden worden waren, nun in einem der Musterverfahren zu Gunsten des dortigen Klägers entschieden und die Erforderlichkeit der „gründlichen Fachkenntnisse“ im Sinne der Tarifvorschrift anerkannt, sodass sich Vergütung dem Grunde nach die Entgeltgruppe gemäß der EG 5 richtet, bzw. bei Überleitung in den TV-L zum damaligen Stichtag 01.11.2010 nach 9-jähriger (bzw. hälftiger) Bewährungszeit nach der EG 6 Urteil v. 30.11.2022, 4 AZR 195/22).

Zuvor hatten wir in einer Vielzahl von Verfahren zurückweisende Urteile des Arbeitsgerichts und des LAG Berlin-Brandenburg erhalten, gegen die die Revision zum Bundesarbeitsgericht nicht zugelassen worden war, sodass diese Urteile in Rechtskraft erwachsen sind und die Verfahren jeweils abgeschlossen sind. Mit dem Urteil des BAG ist nun eine grundlegende Rechtsprechungsänderung eingetreten und es ist davon auszugehen, dass das Land Berlin als Arbeitgeber dies auch umsetzen wird.

Rückwirkende Ansprüche bestehen aber nur bei denjenigen Tarifbeschäftigten die in entsprechenden Klageverfahren ihre Ansprüche geltend gemacht haben und bei denen die Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sind.

Soweit demnach ein Klageverfahren nicht mehr offen ist, sollten Ansprüche erneut schriftlich geltend gemacht werden. Nach dem TV-L besteht eine 6-monatige Frist für die Geltendmachung von Ansprüchen. Mit der schriftlichen Geltendmachung werden also Ansprüche rückwirkend für 6 Monate gesichert. Demnach sollten auch diejenigen, die bisher (z.B. aus Kostengründen) keine Eingruppierungsklage erhoben haben oder bei denen der Rechtsweg leider ohne Erfolg voll ausgeschöpft wurde, ihre Ansprüche auf korrekte Eingruppierung und Zahlung der Differenzvergütung (vorsorglich erneut) nach § 37 TV-L beim Arbeitgeber schriftlich geltend machen.

Ansonsten bleibt die Umsetzung des Urteils durch die Berliner Polizei abzuwarten, das soll dem Vernehmen nach in Arbeit sein. Wegen der Vielzahl der Verfahren wird das aber länger dauern.

Weiter ist zu beachten:

Der Kläger des jetzt entschiedenen Falles war bereits seit 1999 beim ZOS und also langjährig bei Geltung des alten BAT tätig. Dieser frühere Tarifvertrag kannte noch den sog. „Bewährungsaufstieg“ . Diesen hat das BAG bei ihm zugrunde gelegt (BAT VII nach VI b, neunjährige Bewährungsfrist, diese muss zum Stichtag mindestens zur Hälfte abgelaufen sein). Das Urteil des BAG führte in dem entschieden Fall dazu, dass der Kläger in die EG 6 TV-L überzuleiten ist.

Bei den Mitarbeitern des ZOS, die nicht so lange unter der Geltung des BAT beschäftigt waren, dass zum Zeitpunkt der Überleitung in den TV-L bereits der Bewährungsaufstieg erfüllt war, wird daher „nur“ eine Eingruppierung nach EG 5 zum Tragen kommen, auch das aber ist ein deutlicher Erfolg.

Diejenigen Mitarbeiter des ZOS, deren Eingruppierungsklagen beim Arbeitsgericht Berlin eingereicht sind und nach Verjährungsverzicht der Gegenseite noch ruhen, müssen derzeit nichts unternehmen. Wir werden hier die Aufnahme der Verfahren beantragen, wenn nicht zeitnah eine Umsetzung der neuen Rspr. durch die Polizei erfolgt.

BVerfG zu Streikrecht beamteter Lehrer

Das Bundesverfassungsgericht hat ein Streikrecht für Lehrer im Beamtenverhältnis verneint. Die GEW will dagegen den Europäischen Gerichtshof anrufen.

Hier die Leitsätze (Urteil v. 12. Juni 2018, 2 BvR 1738/12 u.a.):

  1. Der persönliche Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG umfasst auch Beamte (vgl. BVerfGE 19, 303 <312, 322>). Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit ist zwar vorbehaltlos gewährleistet. Es kann aber durch kollidierende Grundrechte Dritter und andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechte begrenzt werden.
  1. a) Das Streikverbot für Beamte stellt einen eigenständigen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG dar. Es erfüllt die für eine Qualifikation als hergebrachter Grundsatz notwendigen Voraussetzungen der Traditionalität und Substanzialität.
  1. b) Das Streikverbot für Beamte ist als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums vom Gesetzgeber zu beachten. Es weist eine enge Verbindung auf mit dem beamtenrechtlichen Alimentationsprinzip, der Treuepflicht, dem Lebenszeitprinzip sowie dem Grundsatz der Regelung des beamtenrechtlichen Rechtsverhältnisses einschließlich der Besoldung durch den Gesetzgeber.
  1. a) Die Bestimmungen des Grundgesetzes sind völkerrechtsfreundlich auszulegen. Der Text der Europäischen Menschenrechtskonvention und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte dienen auf der Ebene des Verfassungsrechts als Auslegungshilfen für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Grundgesetzes (vgl. BVerfGE 74, 358 <370>; 111, 307 <317>; 128, 326 <367 f.>; stRspr).
  1. b) Während sich die Vertragsparteien durch Art. 46 EMRK verpflichtet haben, in allen Rechtssachen, in denen sie Partei sind, das endgültige Urteil des Gerichtshofs zu befolgen (vgl. auch BVerfGE 111, 307 <320>), sind bei der Orientierung an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte jenseits des Anwendungsbereiches des Art. 46 EMRK die konkreten Umstände des Falles im Sinne einer Kontextualisierung in besonderem Maße in den Blick zu nehmen. Die Vertragsstaaten haben zudem Aussagen zu Grundwertungen der Konvention zu identifizieren und sich hiermit auseinanderzusetzen. Die Leit- und Orientierungswirkung ist dann besonders intensiv, wenn Parallelfälle im Geltungsbereich derselben Rechtsordnung in Rede stehen, mithin (andere) Verfahren in dem von der Ausgangsentscheidung des Gerichtshofs betroffenen Vertragsstaat betroffen sind.
  1. c) Die Grenzen einer völkerrechtsfreundlichen Auslegung ergeben sich aus dem Grundgesetz. Die Möglichkeiten einer konventionsfreundlichen Auslegung enden dort, wo diese nach den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung und Verfassungsinterpretation nicht mehr vertretbar erscheint (vgl. BVerfGE 111, 307 <329>; 128, 326 <371>). Im Übrigen ist auch im Rahmen der konventionsfreundlichen Auslegung des Grundgesetzes die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte möglichst schonend in das vorhandene, dogmatisch ausdifferenzierte nationale Rechtssystem einzupassen.
  1. Das Streikverbot für Beamtinnen und Beamte in Deutschland steht mit dem Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes im Einklang und ist insbesondere mit den Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar. Auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte lässt sich eine Kollisionslage zwischen dem deutschen Recht und Art. 11 EMRK nicht feststellen.

Bundesverwaltungsgericht zu tätowierten Beamten

Mit Urteil des BVerwG v. 7. November 2017, 2 C 25.17 hatte das höchste deutsche Verwaltungsgericht grundsätzliche Feststellungen zur Frage von Tätowierungen bei Beamten getroffen. Danach greift ein Verbot des Tragens bestimmter Tätowierungen in das auch den Beamten durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Persönlichkeitsrecht ein. Es bedürfe daher einer gesetzlichen Grundlage.

Weiter hatte es ausgeführt: Es gäbe Anhaltspunkte dafür, dass gewandelte gesellschaftliche Vorstellungen zwischenzeitlich auch hinsichtlich Tätowierungen vorliegen könnten. Die Frage, ob angesichts dieser Entwicklung weiterhin von einer allgemeinen Ablehnung oder Gefährdungen für die Repräsentations- oder Neutralitätsfunktion ausgegangen werden könne, bedürfe daher einer aktualisierten Prüfung.

In einer neueren Entscheidung hat das BVerwG nachfolgend aber für Polizeivollzugsbeamte in Bayern entscheiden, dass diese sich an Kopf, Hals, Händen und Unterarmen nicht tätowieren lassen dürfen (BVerwG, Urteil vom 14. Mai 2020 – 2 C 13/19 –). Denn: dort bestehe eine hinreichende gesetzliche Grundlage. Das Bayerische Beamtengesetz untersagt es Polizeivollzugsbeamten unmittelbar , sich im beim Tragen der Dienstkleidung (Sommeruniform) sichtbaren Körperbereich, d.h. konkret an Kopf, Hals, Händen und Unterarmen, tätowieren zu lassen. Nach Auffassung des BVerwG ist damit bereits im Bayerischen Beamtengesetz selbst für im Dienst stehende Polizeivollzugsbeamte ein hinreichend vorhersehbares und berechenbares Verbot für Tätowierungen und andere nicht sofort ablegbare Erscheinungsmerkmale (wie etwa ein Branding oder ein Ohrtunnel) im beim Tragen der Uniform sichtbaren Körperbereich geregelt. Dies ergebe sich aus der Auslegung des Gesetzes unter Berücksichtigung der Gesetzesbegründung. Danach seien äußerlich erkennbare Tätowierungen und vergleichbare auf Dauer angelegte Körpermodifikationen im sichtbaren Bereich mit der Neutralitäts- und Repräsentationsfunktion von uniformierten Polizeivollzugsbeamten unvereinbar. Durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützte individuelle Interessen der Polizeivollzugsbeamten an einer Tätowierung müssten für den – bezogen auf den Gesamtkörper beim Tragen der Dienstkleidung kleinen – sichtbaren Bereich gegenüber der Notwendigkeit eines einheitlichen und neutralen Erscheinungsbildes zurücktreten.

Die Einstellungspraxis und Rechtsgrundlagen sind in den Bundesländern uneinheitlich. Soweit keine gesetzliche Grundlage besteht, darf eine Einstellung aber grds. nicht wegen des Tattoos abgelehnt werden, so auch die Rspr. des hiesigen OVG (Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 01. Februar 2019 – OVG 4 S 52.18 –), Leitsatz:

Die Ablehnung der Einstellung eines Bewerbers für den Polizeivollzugsdienst wegen einer Tätowierung, die nach Auffassung der Einstellungsbehörde in der Bevölkerung als bedrohlich und abschreckend wahrgenommen werden könnte, bedarf einer gesetzlichen Grundlage. An dieser fehlt es im Land Berlin.

Es gibt aber Grenzen. So kann eine Tätowierung gleichwohl eine Pflichtverletzung darstellen, wenn und soweit diese durch ihren Inhalt gegen andere beamtenrechtliche Pflichten verstößt. Dies ist nach der Rspr. des BVerwG nicht nur dann der Fall, wenn sich aus dem Inhalt der Tätowierung eine Straftat erfibt, wie etwa bei einer Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen nach § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB. Eine Tätowierung begründet vielmehr auch dann ein Dienstvergehen, wenn ihr Inhalt einen Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht des Beamten offenbart.

Aus den Entscheidungsgründen des BVerwG:

„Auch wenn die Reglementierung des Erscheinungsbildes von Beamten während ihrer Dienstausübung auf eine behördeninterne Wirkung gerichtet ist, die Art und Weise, in der der Beamte seinen Dienstpflichten nachzukommen hat, ist ihre Wirkung nicht auf die Zeiten der Dienstausübung beschränkt. Anders als die Vorgabe, eine bestimmte Dienstkleidung zu tragen oder während der Dienstzeit Schmuckstücke abzulegen, greift das Verbot bestimmter Tätowierungen zwangsläufig auch in die private Lebensführung und damit in subjektive Rechte der Beamten ein. Die Regelung bedarf daher einer hinreichend bestimmten Ermächtigung durch den Gesetzgeber (BVerwG, Urteil vom 2. März 2006 – 2 C 3.05 – BVerwGE 125, 85 Rn. 17; BVerfG, Beschluss vom 10. Januar 1991 – 2 BvR 550/90 – NJW 1991, 1477 f.).

 In der Rechtsprechung ist hierfür auf die generelle Befugnis zur Regelung der Dienstkleidung (vgl. § 74 BBG) verwiesen worden. Die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts betrafen in der Sache zwar nur die Gestaltung der Haartracht; in ihnen ist aber ausdrücklich auch auf die Möglichkeit einer Vorgabe für Tätowierungen verwiesen worden (BVerwG, Urteil vom 2. März 2006 – 2 C 3.05 BVerwGE 125, 85 Rn. 18; ebenso Beschluss vom 17. Dezember 2013 – 1 WRB 2.12 u.a. – BVerwGE 149, 1 Rn. 48 für das Soldatenrecht). An dieser Auffassung hält der Senat nicht fest. Wie bei der Einschätzung, welche rechtlichen Grundlagen für die Vorgabe von

Einstellungshöchstaltersgrenzen erforderlich sind, stellt sich auch im Hinblick auf die Reglementierung des zulässigen Ausmaßes von Tätowierungen bei Beamten die Frage der Wesentlichkeit und damit der Ermächtigungsgrundlage unter dem zwischenzeitlich aktualisierten verfassungsrechtlichen Blickwinkel anders dar als noch vor einigen Jahren (BVerfG, Beschluss vom 21. April 2015 – 2 BvR 1322/12 u.a. – BVerfGE 139, 19 Rn. 57).

So sind Einstellungshöchstaltersgrenzen für Beamte traditionell durch Verwaltungsvorschrift bestimmt worden; dies hat die Rechtsprechung lange Zeit gebilligt (BVerwG, Urteile vom 31. Januar 1980 – 2 C 15.78 – Buchholz 232 § 15 BBG Nr. 11 S. 5 und vom 23. Oktober 1980 – 2 C 22.79 – Buchholz 238.4 § 37 SG Nr. 2 S. 5). Erst im Jahr 2009 ist hierzu eine normative Ausgestaltung verlangt (BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2009 – 2 C 18.07 – BVerwGE 133, 143 Rn. 9), die Regelung durch Rechtsverordnung aber weiterhin für ausreichend erachtet worden (BVerwG, Urteil vom 23. Februar 2012 – 2 C 76.10 – BverwGE 142, 59 Rn. 26). 2015 hat das Bundesverfassungsgericht den Parlamentsvorbehalt im Anwendungsbereich des Art. 33 Abs. 2 GG weiter hervorgehoben und eine hinreichend bestimmte Entscheidung des Parlamentsgesetzgebers selbst verlangt (BVerfG, Beschluss vom 21. April 2015 – 2 BvR 1322/12 u.a. – BVerfGE 139, 19 Rn. 52 ff.). Dem ist die Rechtsprechung des erkennenden Senats gefolgt (BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 2016 – 2 C 11.15 – BVerwGE 156, 180 Rn. 17 ff.).

Die vom Bundesverfassungsgericht hinsichtlich der Regelung von Einstellungshöchstaltersgrenzen gegebene Begründung trifft auch für die Reglementierung des Ausmaßes zulässiger Tätowierungen für Beamte zu. Grundrechte gelten auch im Beamtenverhältnis. Die Austarierung widerstreitender Grundrechte (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 – 2 BvR 1436/02 – BVerfGE 108, 282 <310> in Bezug auf Kleidungsvorschriften für Lehrkräfte) oder kollidierender Verfassungspositionen ist dem Parlament vorbehalten. Wesentliche Inhalte des Beamtenverhältnisses sind daher durch Gesetz zu regeln. Dies gilt insbesondere für Regelungen mit statusbildendem oder statusberührenden Charakter, durch die Bedingungen der Einstellung oder Entlassung normiert werden (BVerfG, Beschluss vom 21. April 2015 – 2 BvR 1322/12 u.a. – BVerfGE 139, 19 Rn. 69).

Mit der Bestimmung unzulässiger Tätowierungen werden Eignungsanforderungen festgelegt, die zur zwingenden Ablehnung eines Einstellungsbegehrens führen (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 14. Juli 2016 – 6 B 540/16 – juris Rn. 3 und 5). Für bereits ernannte Beamte bilden entsprechende Regelungen die Grundlage für Weisungen, keine derartige Tätowierung im Dienst zu tragen (VG Halle, Urteil vom 18. Mai 2016 – 5 A 54/16 – juris Rn. 21 f.).

Insoweit ist neben dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) auch das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG berührt. Das Bundesverwaltungsgericht hat dessen Anwendungsbereich für das Schneiden der Kopfhaare zwar grundsätzlich verneint (BVerwG, Urteil vom 2. März 2006 – 2 C 3.05 – VerwGE 125, 85 Rn. 16). Die Vorgabe, die Haare in Hemdkragenlänge zu tragen, könne nicht zu einer Entstellung oder Verunstaltung führen. Angesichts des intensiven körperlichen Eingriffs und der damit verbundenen Schmerzen kann Entsprechendes für die Entfernung von Tätowierungen aber offenkundig nicht gelten. Die Aufforderung, großflächige Tätowierungen an Kopf, Hals, Händen oder Unterarmen zu beseitigen, greift daher auch in den Schutzbereich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ein.

 (…)

Die Reglementierung zulässiger Tätowierungen im Beamtenverhältnis bedarf folglich einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Regelung. Auch im Falle der Verordnungsermächtigung muss dabei schon aus der parlamentarischen Leitentscheidung der Ermächtigung erkennbar und vorhersehbar sein, was dem Bürger gegenüber zulässig sein soll (BVerfG, Beschluss vom 21. April 2015 – 2 BvR 1322/12 u.a. – BVerfGE 139, 19 Rn. 55).

 (…)

Anhaltspunkte dafür, dass gewandelte gesellschaftliche Vorstellungen zwischenzeitlich auch hinsichtlich Tätowierungen vorliegen könnten, liegen durchaus vor (vgl. zur Einordnung als „Modephänomen“ etwa Schmidt, Das äußere Erscheinungsbild von Beamtenbewerbern, 2017, S. 175 und 177 mit dem Hinweis, mittlerweile gebe es etwa 3000 Tattoostudios in Deutschland). Dies gilt nicht nur in Bezug auf das Verhalten prominenter Vorbilder in Sport, Musik und Showbusiness (vgl. Lobstädt, Tätowierung, Narzissmus und Theatralität, 2011, S. 115 ff.). Nach einer Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach (Allensbacher Kurzbericht vom 8. Juli 2014) hat sich der Anteil der Tätowierten in Deutschland in den letzten zehn Jahren um über 40 % erhöht. 24 % der 16- bis 29-Jährigen – und damit fast jeder Vierte – hat zwischenzeitlich eine Tätowierung.

Bei Frauen liegt der Anteil in dieser Altersgruppe sogar bei 30 %, in Ostdeutschland (geschlechterübergreifend) bei 41 %. Insbesondere bei jüngeren Menschen und in Ostdeutschland hat die Verbreitung von Tätowierungen daher offenbar den Bereich von Subkulturen verlassen und „die Mitte der Gesellschaft erreicht“ (VG Halle, Urteil vom 18. Mai 2016 – 5 A 54/16 – juris Rn. 31; hierzu auch VG Düsseldorf, Beschluss vom 24. August 2017 – 2 L 3279/17 – juris Rn. 30). Die Frage, ob angesichts dieser Entwicklung weiterhin von einer allgemeinen Ablehnung oder Gefährdungen für die Repräsentations- oder Neutralitätsfunktion ausgegangen werden kann, bedarf daher einer aktualisierten Prüfung.

Dabei erscheint nicht ausgeschlossen, dass für die Tätowierung besonders exponierter

und auch beim Tragen einer Uniform sichtbarer Bereiche, wie Kopf, Hals, Hände und vielleicht auch Unterarme weiterhin von einer ausreichenden Gefährdungslage ausgegangen werden kann. Präzise Aussagen hierzu sind den vorhandenen Erkenntnisquellen nicht zu entnehmen. Die normative Leitentscheidung hierzu muss jedoch durch das Parlament und aufgrund aktueller Erkenntnisgrundlagen erfolgen.

Das Haben von Tätowierungen an sich verstößt damit nicht gegen eine dem

Beklagten wirksam auferlegte Pflicht. (…)

Das Tragen einer Tätowierung stellt gleichwohl eine Pflichtverletzung dar, wenn und soweit diese durch ihren Inhalt gegen andere beamtenrechtliche Pflichten verstößt. Dies ist nicht nur der Fall, wenn sich aus dem Inhalt der Tätowierung eine Straftat ergibt – wie etwa im Falle der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen nach § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB. Eine Tätowierung begründet vielmehr auch dann ein Dienstvergehen, wenn ihr Inhalt einen Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht des Beamten offenbart.“

Foto: Fotalia

OVG legt Besoldung der Landesbeamten beim BVerfG vor

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat mit Beschlüssen vom 11.10.2017 die Besoldung der Berliner Landesbeamten für die Besoldungsgruppen A7 – A9 für unterschiedliche Jahreszeiträume als verfassungswidrig zu niedrig erachtet und die Verfahren dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt (Aktenzeichen: OVG 4 B 33.12, 4 B 34.12).

In der Begründung folgt das Oberverwaltungsgericht ersichtlich den kürzlich ergangenen Vorlagebeschlüssen des Bundesverwaltungsgerichts mit der Argumentation, dass sich die Beamtenbesoldung eines A 4 – Beamten vom Niveau der sozialrechtlichen Grundsicherung jedenfalls um 15 % abheben müsse, was im Land Berlin in der untersten Besoldungsgruppe nicht eingehalten worden sei. Dies führe dann wegen des sog. Abstandsgebotes zu Verwerfungen auch in den höheren Besoldungsgruppen.

Mit den neuen Beschlüssen gibt das OVG seine vorherige Rspr. auf, die wir im Wege der Revision beim Bundesverwaltungsgericht vorgelegt hatten, was dort zu den Vorlagebeschlüsssen vom 22.09.2017 geführt hatte (auf dieser Seite).

Näheres zu den Beschlüssen des OVG Berlin-Brandenburg findet sich in der Pressemitteilung des Oberverwaltungsgerichts.