Mit Urteil vom 5. Mai 2015 – 2 BvL 17/09 u. a. – hat das Bundesverfassungsgericht die Grundgehaltssätze der Besoldungsgruppe R 1 in Sachsen-Anhalt in den Jahren 2008 bis 2010 als mit Art. 33 Abs. 5 GG unvereinbar erklärt und dabei die Kriterien konkretisiert, nach denen die Besoldung von Richtern und Staatsanwälten auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der amtsangemessenen Alimentation zu überprüfen ist. Eine Zusammenfassung der Urteilsbegründung geben wir hier.
Das BVerfG prüft die Besoldung in drei Stufen und zieht auf der ersten Prüfungsstufe fünf Parameter mit indizieller Bedeutung heran; wenn mindestens drei davon erfüllt sind, besteht die Vermutung für eine verfassungswidrige Unteralimentation. Auf einer zweiten Prüfungsstufe kann diese Vermutung durch Berücksichtigung weiterer Kriterien im Rahmen einer Gesamtabwägung widerlegt oder weiter erhärtet werden. Und auf einer dritten Prüfungsstufe ist gegebenenfalls eine Abwägung mit kollidierenden verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen wie dem Verbot der Neuverschuldung herbeizuführen; im Ausnahmefall kann eine Unteralimentation verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden.
Wendet man das auf die Berliner Besoldung an, dann sind im Land Berlin vier von fünf Indizien erfüllt:
– eine deutliche Differenz zwischen der Besoldungsentwicklung und den Tarifergebnissen der Angestellten im Land Berlin von mehr als 5 % des Indexwertes bezogen auf die letzten 15 Jahre
– eine deutliche Abweichung der Besoldungsentwicklung von der Entwicklung des Nominallohnindex im Land Berlin von mehr als 5 % bezogen auf die letzten 15 Jahre
– eine deutliche Abweichung der Besoldungsentwicklung von der Entwicklung des Verbraucherpreisindex im Land Berlin von mehr als 5 % bezogen auf die letzten 15 Jahre
– eine deutliche Verringerung der Abstände der Bruttogehälter in den einzelnen Besoldungsgruppen
– eine deutliche Gehaltsdifferenz im Vergleich zum Durchschnitt der Bezüge der jeweiligen Besoldungsgruppe im Bund und in den anderen Ländern von mehr als 10 %
Danach besteht für Berlin die Vermutung der verfassungswidrigen Unteralimentation. Auch eine Abwägung der Interessen des Landes Berlin führt insbesondere wegen der Auszehrung der allgemeinen Gehaltsbestandteile unter anderem durch massive Einschnitte bei der Beihilfegewährung nicht zu einer Amtsangemessenheit. Allein die Finanzlage und das Ziel der Haushaltskonsolidierung des Landes Berlin vermögen den Grundsatz der amtsangemessenen Alimentierung nicht einzuschränken.
Das Urteil dürfte sich auch auf im Land Berlin bereits anhängige Gerichtsverfahren auswirken. Wir hatten bereits im Jahr 2011 eine Reihe von Klagen wegen zu niedriger Alimentation der Berliner Beamten erhoben. Drei dieser Klagen hatte das VG Berlin im Jahr 2012 abgewiesen, dabei aber die Berufung zum OVG Berlin-Brandenburg zugelassen (s. auf dieser Seite).
Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat in einer Reihe von Berufungsurteilen die Besoldung der Berliner Beamten und Richter nach diesen Vorgaben überprüft und die Klagen jeweils abgewiesen. Es hat im Ergebnis seiner Prüfung nicht feststellen können, dass drei der fünf maßgeblichen Parameter erfüllt seien, so dass es bereits an der Indizwirkung für eine für eine verfassungswidrige Unteralimentation fehle.
Das Oberverwaltungsgericht hat bei allen Entscheidungen jeweils die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen, in den von uns vertretenen Verfahren (zwei Verfahren betreffend die Besoldung der Richter, drei Verfahren betreffend die Besoldung von Polizeibeamten) eingelegt haben. Wir werden über das Ergebnis der Verfahren berichten.
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